Die Vertreterhaftung im Sozialversicherungs- und Steuerrecht

Lockerung der Haftung für Sozialversicherungs-Beiträge Mit dem Erkenntnis des VwGH 12. Dezember 2000, 98/08/0191, 0192 ist eine erfreuliche Judikaturwende eingetreten, die Geschäftsführern von in Insolvenz geratenen juristischen Personen mehr Rechtssicherheit garantiert. Auf Grund der bisherigen Verwaltungspraxis erstreckte sich die Ausfallhaftung auf die gesamten Sozialversicherungsbeiträge (Dienstgeber- und Dienstnehmeranteil), wobei der Geschäftsführer aus den verfügbaren Mitteln alle Gläubiger gleich behandeln musste. Dabei blieb aber die konkrete Berechnungsart offen, sodass erhebliche Rechtsunsicherheit bestand. Nach der oben angeführten Judikatur sieht die neue Haftungsregelung nunmehr wie folgt aus: – Haftung nach § 111 ASVG Bei schuldhafter Verletzung der Meldepflichten besteht nach wie vor die Beitragshaftung für sämtliche uneinbringlichen Beiträge unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. – Haftung nach §§ 67 (10), 114 ASVG Nach wörtlicher Auslegung dieser Bestimmung reduziert die Judikatur die unter Strafsanktion stehende Vertreter-Haftung auf die einbehaltenen Dienstnehmer-Anteile, wobei der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zur Anwendung gelangt. Keine Änderung im Steuerrecht – Ausfallhaftung des Geschäftsführers § 9 iVm § 80 BAO normiert die Verpflichtung des Vertreters juristischer Personen sowie die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen zur Abgabenzahlung, woraus die Ausfallhaftung bei schuldhafter Pflichtverletzung resultiert. Hier gilt nach wie vor der Gleichbehandlungsgrundsatz mit der oben angeführten Problematik. Die gleichen Haftungsbestimmungen gelten auch nach den Landesabgabenordnungen (z.B. Kommunalsteuer). Ausgenommen ist die einbehaltene Lohnsteuer für ausbezahlte Löhne, weil der Geschäftsführer treuhändig die einbehaltene Lohnsteuer abzuführen hat und daher die Gleichbehandlung nicht zum Tragen kommt. Die Lohnsteuer von ausbezahlten Löhnen ist daher in voller Höhe abzuführen. Laut VwGH 29. März 2001, 99/14/0105 stellt ein Zwangsausgleich der GmbH keinen Grund für die Befreiung von der Haftung des Geschäftsführers dar. – Steuerliche Qualifikation der Zahlung aus dem Titel der Haftung • Werbungskosten / Betriebsausgaben Beim Geschäftsführer sind Zahlungen aus dem Titel der Haftung für Sozialversicherungsbeiträge und Abgaben abzugsfähig, gleichgültig, ob er an der Gesellschaft beteiligt ist oder nicht. Dies gilt auch dann, wenn ein Fehlverhalten vorliegt, soferne dieses der betrieblichen Sphäre zuzuordnen ist (VwGH 24. Oktober 2000, 95/14/0048; 30. Mai 2001, 95/13/0288). • Gesellschaftereinlagen Übernimmt ein Gesellschafter-Geschäftsführer Haftungen gegenüber Banken, Lieferanten etc. (z.B. Betriebsmittelkredit) und wird er aus diesem Titel in Anspruch genommen, dann dient die Haftungsübernahme wirtschaftlich in erster Linie dem Fortbestand der GmbH und ist als Gesellschaftereinlage und nicht als Werbungskosten / Betriebsausgaben zu qualifizieren (VwGH 30. Mai 2001, 95/13/0288; 20. Dezember 2000, 98/13/0029). Dies insbesondere dann, wenn wegen Unangemessenheit und Unüblichkeit der Ausgaben, ab einer bestimmten Höhe eine betriebliche Veranlassung nicht angenommen werden kann. Schlussfolgerungen Leider gibt es im Steuerrecht keine vergleichbare Rechtssicherheit wie sie nunmehr im Sozialversicherungsrecht existiert, da der Gleichbehandlungsgrundsatz nach wie vor (mit Ausnahme bei der Abfuhr der Lohnsteuer) anzuwenden ist. Der Geschäftsführer haftet laut Judikatur auch dann für die Abfuhr der Lohnsteuer, wenn eine Bank die Barmittel ausdrücklich nur für die Nettolohnzahlung zur Verfügung stellt. Der Geschäftsführer kann sich nur dadurch von der Haftung befreien, dass er rechtzeitig schriftlich seine Geschäftsführerbefugnis zurücklegt. Das Datum der Eintragung im Firmenbuch ist nicht maßgebend, da die Haftung ab dem Zeitpunkt der nachweislichen Zurücklegung der Geschäftsführertätigkeit endet. Auf Grund der neuen Judikatur wird eine strafgerichtliche Verurteilung nach § 114 ASVG nicht mehrso leicht möglich sein wie bisher, wenn der Geschäftsführer folgende Vorkehrungen trifft: • Erfüllung der Meldepflichten gemäß § 111 ASVG • Teilzahlungen an die Gebietskrankenkasse im Verhältnis zu ausbezahlten Löhnen mit der ausdrücklichen Widmung auf einbehaltene Dienstnehmer-Anteile. Ohne diese Verrechnungsweisung erfolgt nämlich die Anrechnung von Zahlungen zivilrechtlich auf den jeweils ältesten Rückstandssaldo ohne Differenzierung nach Dienstgeber- bzw. Dienstnehmer-Anteilen. Die strafrechtliche Praxis geht in der Regel dahin, dass die Teilzahlungen auf die jeweils „drückendste Schuld” angerechnet werden. Diese ist im konkreten Fall der Rückstand von Dienstnehmeranteilen. Sind diese höher als die Teilzahlungen, unterliegt der Saldo der strafgerichtlichen Beurteilung. Eine ausdrückliche Zahlungswidmung mit vollständiger Zahlung der Dienstnehmer-Anteile ist jedenfalls zu empfehlen, um strafrechtliche Folgen zu vermeiden. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die Zahlung der Dienstnehmerbeiträge durch den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds für die Vertreter kein Strafbefreiungsgrund im Sinne des § 114 (3) Zi 1 ASVG ist (OGH 6. Mai 1998 13 Os 59/98-7).